Was der FTP Rampentest kann und was er nicht kann
Inwiefern unterschätzt ein Rampentest die FTP bei gut trainierten Ausdauerathleten mit hoher aerober und geringer anaerober Kapazität im Vergleich zum 20-Minuten-Test?
Trotz intensiver Vorbereitung auf die Triathlon-Mitteldistanz stellte ich fest, dass mir der Rampentest zur FTP-Bestimmung zunehmend schwerfiel, obwohl sich meine aerobe Leistungsfähigkeit nachweislich verbessert hatte.
Diese Beobachtung brachte mich zu einer Hypothese: Wird meine FTP im Rampentest möglicherweise systematisch unterschätzt, weil meine anaerobe Kapazität vergleichsweise gering ist?
Um dieser Frage nachzugehen, habe ich einen Selbstversuch durchgeführt und zwei unterschiedliche Testverfahren unter identischen Bedingungen verglichen.

Versuchsdesign
Proband: Ich selbst
AG Triathlet im alter von 29 Jahren mit etwa 8-9 Jahren Radsporterfahrung.
Zwei Testverfahren an zwei aufeinanderfolgenden Tagen.
Ernährung, Uhrzeit und Erholung unter gleichen Bedingungen.
Testprotokolle
Test 1 – Rampentest (Indoor):
Warm-Up: 10 Minuten mit eingestreuten Intensiven 30 Sekunden Intervallen
Rampe: ab 150 Watt mit kontinuierlicher Steigerung von 20 W je Minute bis zum Einbruch der Trittfrequent <50 RPM.
Protokoll veröffentlicht durch TrainingPeaks Virtual

Leistung (Watt)
Trittfrequenz (RPM)
Herzfrequenz (BPM)
Test 2 – 20 Minuten Test (Outdoor):
Warm-Up: 20 Min mit eingestreuten Intensiven 30 Sekunden Intervallen
FTP Test: 20 min maximal Leistung, konstantes Pacing dank gutem Körpergefühl und Erfahrung möglich.

Leistung (Watt)
Trittfrequenz (RPM)
Herzfrequenz (BPM)
Tabelle: Vergleich FTP aus beiden Tests
Test | Leistung (W) | Herzfrequenz | Borg (1-10) | FTP (W) | Watt / Kg |
---|---|---|---|---|---|
Rampentest | 396 W 1 Min Peak | max. 197 bpm | 8 | 297 W (396 x 0,75) | 4,24 W/kg |
20 min Test | 333 W Ø | Ø 187 bpm | 9 | 316 W (333 x 0,95) | 4,51 W/kg |
Reflexion
Schon vor der Durchführung der Tests habe ich aufgrund meines Körpergefühls in der Belastung ein ähnliches Ergebnis wie das oben Dargestellte erwartet.

Eine Abweichung von 6% im Testergebnis kann über Erfolg oder Misserfolg im weiteren Training entscheiden.
Wie u. a. Seiler (2010, 2019) beschreibt, sind Tests, die eine maximale Kurzzeitbelastung am Ende erfordern, wie Rampentests, stark von der anaeroben Kapazität beeinflusst. Bei Athleten mit hoher aerober Ausdauer, aber geringer anaerober Reserve kann dies dazu führen, dass ihre funktionelle Schwelle systematisch unterschätzt wird.
Für eine weitere Bestätigung dieser Theorie braucht es jedoch eine größere Probantenanzahl und eine klarere Standardisierung der Testdurchführung und Vorbereitung.
Auch die Tagesform und eine Voraktivierung können Einfluss auf die Testleistungen gehabt haben.
Die Tagesform eines Athleten hat nachweislich Einfluss auf die erbrachte Leistung bei intensiven Leistungstests (Jeukendrup & Killer, 2010). Faktoren wie Schlafqualität, muskuläre Vorermüdung, Ernährung oder psychischer Stress können die akute Leistungsfähigkeit erheblich modulieren.
Besonders im Wettkampfumfeld ist es üblich, am Vortag sogenannte Priming Workouts oder Aktivierungen durchzuführen, kurze, gezielte Belastungen, die das neuromuskuläre System stimulieren und die Sauerstoffkinetik verbessern. Diese Praxis kann die maximale Leistungsentfaltung am Folgetag positiv beeinflussen (Burnley et al., 2002).
Wird am Vortag ein intensiver Test wie ein Rampentest durchgeführt, kann dieser, je nach Gestaltung, ebenfalls eine priming-ähnliche Wirkung entfalten. Auch wenn der Test selbst erschöpfend ist, können in manchen Fällen positive neuromuskuläre oder metabolische Anpassungen auftreten, die zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit am Folgetag führen. Diese Effekte sind jedoch individuell verschieden und stark abhängig vom Erholungsverhalten und der Trainingshistorie des Athleten.
Schlussfolgerung
Der Selbstversuch legt nahe, dass bei Athleten mit einer stark ausgeprägten aeroben, jedoch gering ausgeprägten anaeroben Kapazität, der Rampentest zu einer Unterschätzung der FTP führen kann. Für diese Athleten scheint der 20-Minuten-Test eine realistischere Einschätzung der funktionellen Schwelle zu liefern, insbesondere dann, wenn keine professionelle Diagnostik mit Laktatmessung zur Verfügung steht.
Nichtsdestotrotz eignet sich der Rampentest besonders für Athleten die neu, bzw. ohne Erfahrung, im Radsport sind. Fehlendes Körpergefühl und Erfahrung werden durch die klaren Vorgaben des Rampentests kompensiert was für diese Athleten zu einem realistischeren Testergebnis führt.
Was gibt es noch zu beachten?
Toleranzen, Abweichungen und Messungenauigkeiten in Powermetern
Wenn du einen Leistungsmesser am Rad verwendest, kann es vorkommen, dass dieser andere Wattwerte anzeigt als dein Rollentrainer. Solche Abweichungen entstehen häufig durch unterschiedliche Messtoleranzen und können sich je nach gewählter Übersetzung verändern.
Das solltest du im Hinterkopf behalten, insbesondere bei FTP-Tests.
Idealerweise zeichnest du den Test mit beiden Powermetern gleichzeitig auf. So erhältst du zwei unterschiedliche FTP-Werte. Einen für den Rollentrainer und einen für den Leistungsmesser am Rad.
Den ersten kannst du für dein Indoor-Training verwenden, den zweiten für Einheiten auf der Straße.
Wichtig: Stelle auch hier sicher, dass beide Powermeter korrekt kalibriert sind, um zuverlässige Vergleichswerte zu erhalte.

Direkter Vergleich von Indoor-Trainer zu einem am Rad verbauten Leistungsmesser.
Quellen
Coggan A. & Allen H. (2019)
Training and Racing with a Power Meter
Seiler S. & Tønnessen E (2009)
Burnley M., Doust J.H., Ball D. & Jones A.M. (2002)
Jeukendrup A. & Killer S.C. (2011)
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